Die Uraufführung fand am 15. August 1910 im Schauspielhaus München statt.
Dieses Drama entstand auf der Grundlage von Goethes Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie, das Steiner zunächst in dramatisierter Form auf die Bühne bringen wollte als erstes Beispiel eines Mysteriendramas, das mit den Anforderungen des gegenwärtigen Bewusstseinsseelenzeitalters rechnet, doch gewann die Sache bald ein Eigenleben und formte sich zu einen eigenständigen Drama um, das aber an vielen Stellen noch deutliche Bezüge zu Goethes Vorbild zeigt.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen der Maler Johannes Thomasius und die große Seele Maria, die gemeinsam unter dem helfenden Beistand ihres Geisteslehrers Benedictus den Einweihungsweg beschreiten, auf dem sie den Widersachermächten Luzifer und Ahriman begegnen und durch schmerzvolle Prüfungen allmählich zu wahrer Selbsterkenntnis reifen. Sie treffen dabei unter anderem den gebildeten, idealistisch gesinnten Professor Capesius und den von schweren Zweifeln erschütterten, aber dennoch lebenspraktischen Forscher Dr. Strader, die beide erquickende Seelenkräfte aus den wunderbaren Märchen schöpfen, die Felicia Balde zu erzählen weiß. In der Seelenwelt begegnen sie dem Geist der Elemente. Felix Balde und die andre Maria schöpfen noch ganz aus unbewussten, naturhaften Geisteskräften. Tief berührt wird Strader von den Visionen der Seherin Theodora. Eine wichtige Rolle spielen auch Astrid, Philia und Luna, die Seelenschwestern der Maria und Theodosius und Romanus, die Tempelbrüder des Benedictus. German erweist sich als der spöttische Geist des Erdgehirns und Retardus, der gemischte König aus Goethes Märchen, versucht die Entwicklung zurückzuhalten.
Ein Zimmer der Sophia
Das Vorspiel beginnt mit einem einfachen Kinderlied, das allerdings bei aller Schlichtheit schon die Gesinnung andeutet, aus der das Geschehen des eigentlich dramatischen Teils aufgefasst werden soll, nämlich mit einer gewissen vorurteilslosen kindlichen, nicht durch den Intellekt getrübten Offenheit:
Der Sonne Licht durchflutet
Des Raumes Weiten,
Der Vögel Singen durchhallet
Der Luft Gefilde,
Der Pflanzen Segen entkeimet
Dem Erdenwesen,
Und Menschenseelen erheben
In Dankgefühlen
Sich zu den Geistern der Welt.
Das Vorspiel führt nun weiter zu einem Streitgespräch zwischen Estella und Sophia. Sophia ist, wie schon der Name andeutet, die Verfechterin der Geisteswissenschaft, der Anthroposophie, in der Estella aber nur ein müßiges Gedankenspiel sehen kann, das den Menschen von der eigentlichen Realität, von den wahren Problemen des Lebens ablenkt. Auch würden viele Vertreter der Geisteswissenschaft aus ihrem Dünkel hochmütig auf die anderen Menschen herabblicken und sich für etwas Besseres halten. Ganz verfehlt erscheint es Estella, wenn man die weltfremde Geistesschau zur Grundlage des künstlerischen Schaffens machen wollte und sie lädt Sophia ein, mit ihr gemeinsam eine Aufführung der „Enterbten der Seele und des Leibes“ zu besuchen, wo die wahren Lebensprobleme in naturalistisch-dramatischer Form gezeigt würden. Doch Sophia lehnt ab, denn sie will am selben Abend ein Theaterstück, offenbar ein Mysteriendrama, sehen, das ihrer geistigen Auffassung entspricht. Es kommt zu keiner Verständigung zwischen den beiden.
Rudolf Steiner reflektiert selbstkritisch in dem Vorspiel seinen eigenen künstlerischen Ansatz und das ganze anthroposophische Streben überhaupt. Er wirft Einwände auf, die man machen kann, gibt Gegenargumente, wertet aber nicht nach der einen oder anderen Richtung, sondern überlässt dem Publikum die Entscheidung, welcher Argumentation es folgen will.
Ein Zimmer in rosenrotem Grundton
Durch eine Tür an der rechten Seite, die zu einem Vortragssaal führt, wo offenbar soeben ein geisteswissenschaftlicher Vortrag zu Ende gegangen ist, treten nach und nach die Hauptpersonen herein, die den weiteren Fortgang des Dramas bestimmen werden.
Zuerst kommen Johannes Thomasius und Maria, die eigentlichen Protagonisten. Johannes ist Maler und Maria seine geliebte Freundin, die ihn durch ihre fest verwurzelte geistige Weltsicht menschlich tief inspiriert, doch zugleich, was beide nicht recht verstehen können, seine künstlerische Schaffenskraft lähmt. Unschwer erkennt man in Maria die Lilie aus Goethes Märchen wieder, die den unglücklichen Jüngling versteinert.
Dann treten Capesius und Strader auf, die beiden Irrlichter aus dem Märchen. Beide sind realen Menschen nachempfunden. Capesius hat deutlich Züge von Steiners ehemaligem Hochschullehrer Karl Julius Schröer und Strader hat viel gemeinsam mit dem Philosophen Gideon Spicker, der selbst auch schon in seinen Schriften das Wort „Anthroposophie“ im Sinne von höchster Selbsterkenntnis des Menschen gebraucht hat:
„Handelt es sich aber in der Wissenschaft um die Erkenntnis der Dinge, in der Philosophie dagegen in letzter Instanz um die Erkenntnis dieser Erkenntnis, so ist das eigentliche Studium des Menschen der Mensch selbst, und der Philosophie höchstes Ziel ist Selbsterkenntnis oder Anthroposophie.“ (Lit.: Spicker)
Den beiden Gelehrten folgen Philia, Astrid und Luna, die sich später als Repräsentantinnen der drei seelischen Wesensglieder, der Empfindungsseele, der Verstandesseele und der Bewusstseinsseele, bzw. auch des Fühlens, Denkens und Wollens, erweisen werden. Theodora, die als nächstes auftritt, ist eine junge Frau mit atavistischen hellseherischen Fähigkeiten, die sie aber nicht selbst unter Kontrolle hat. Inmitten der versammelten Menschen wird sie von einer Vision ergriffen, die auf das baldige Kommen des ätherischen Christus hinweist. Strader, der mit seinem nüchternen Verstand den geistigen Wahrheiten sehr skeptisch gegenübersteht, ist von dieser Vision tief beeindruckt.
Felix Balde, der gemeinsam mit seiner Frau Felicia auftritt, hat sein reales Vorbild in dem Kräutersammler Felix Koguzki, der eine wichtige Rolle im Leben Rudolf Steiners gespielt hat. Felix Balde wird als einzelgängerischer Naturmensch geschildert, der eine tiefmystische Beziehung zu den vielerlei Naturwesen hat. Seine Frau Felicia ist eine begnadete Märchenerzählerin, bei der Capesius und Strader oft zu Gast sind, und dort ihre Seelen durch ihre Erzählungen erfrischen.
Danach betritt wieder eine Dreiergruppe von Personen die Bühne, nämlich Theodosius, German und Romanus, die den drei Königen aus Goethes Märchen entsprechen. Sie sind in gewisser Weise auch Repräsentanten des Fühlens, Denkens und Wollens und ihre Urbilder zeigen diese Kräfte später im kosmischen Maßstab. Theodosius wird später als Geist der Liebe bezeichnet, German als Geist des Erdgehirns und Romanus als Geist der Tatkraft. Retardus, der dem vierten, dem gemischten König aus Goethes Märchen entspricht, ist nur als Geist wirksam gedacht und tritt in dieser Szene noch nicht, sondern erst viel später im fünften Bild auf, das im unterirdischen Tempel, der verborgenen Mysterienstätte der Hierophanten, spielt.
Die „andere Maria“, die grüne Schlange des Märchens, die danach die Szene betritt, zeigt schon durch ihren Namen ihre enge geistige Beziehung zur Figur der Maria. Ihr Urbild zeigt sich später als die Seele der Liebe und steht dadurch auch in einem Naheverhältnis zu Theodosius.
Benedictus, der nun auf den Plan tritt, ist offenbar ein großer Eingeweihter und der Lehrer der Geistesgemeinschaft, die sich hier versammelt hat.
Zuletzt tritt noch Helena auf, deren Urbild sich später als Luzifer zeigt. Sie will Johannes an der Geisteswissenschaft irre machen und ihn auf einen Weg weisen, der schneller und schmerzloser ist.
Gegend im Freien
Tief in Meditation versunken ringt Johannes um Selbsterkenntnis. Von allen Dingen, von allen Wesen in der Welt ruft es ihm zu: „O Mensch, erkenne dich!“ Doch das wird für ihn zu einem furchtbaren Erlebnis. Ganz in sich versenkt, fühlt er sich wie zerrissen in die ganze Welt und scheint sich selbst ganz zu verlieren. Seine Einsamkeit, in die er sich sonst zurückziehen und dort Ruhe finden konnte, ist ihm verloren. Er ist in sich selbst nicht mehr mit sich selbst allein. In alle Wesen muss er eintauchen und den Schmerz erleben, den er ihnen im Leben zugefügt hat. So begegnet ihm die Seele einer Jugendliebe, die er einst verlassen hatte, nachdem er Maria kennenlernte, und die darüber vor Gram gestorben war. Was Johannes hier widerfährt, ist ein Vorgeschmack dessen, was den Menschen nach dem Tod im Kamaloka erwartet. Doch solche Prüfungen muss der Geistesschüler durchmachen; vor allem muss ihm seine eigene niedere Natur ganz ungeschminkt entgegentreten. Johannes erscheint sie als wilder Wurm, "aus Lust und Gier geboren" und er fühlt sich daran gefesselt, fester noch, als Prometheus an den Kaukasus geschmiedet war. Maria, die ihm zuletzt in seiner Mediation erscheint, kann Johannes auch nicht weiterhelfen. Ihm ist, als hätte er sich selbst verloren.
Ein Meditationszimmer
Auch Maria ist von Unruhe getrieben. Sie kann sich nicht erklären, warum Johannes Kräfte durch ihre Gegenwart wie gelähmt sind. Und auch ihr Pflegekind, das früh schon schöne Anlagen zeigte, scheint in ihrer Nähe seelisch zu veröden. Benedictus soll ihr dies Rätsel lösen. Jener beiden Kräfte, so erklärt Benedictus, stammen noch aus dem niederen Teil ihres Wesens und müssen, ausgelöst durch Marias geistige Nähe, notwendig dahinschmelzen, ehe neue, höhere Kräfte erwachen können. Ein Schicksalsknoten aus den Fäden, "die Karma spinnt im Weltenwerden", zeige sich hier, wie Benedictus weiter ausführt. Auch offenbart er Maria, dass sie ausersehen ist, dass ein hohes Gotteswesen auf Erden durch sie wirke, dass sich Göttertaten hier mit dem Menschenleben verschlingen. Maria ist so tief erschüttert, dass ihr geistig-seelischer Wesenskern ins Geisterland entrückt wird. Wie es in solchen Fällen oft geschieht, wird ihre vom Ich verlassene Körperhülle von den Widersachermächten ergriffen und aus ihrem Munde tönen bittere Vorwürfe gegen Benedictus. Auch Johannes, der während der ganzen Szene anwesend ist, wird tief ergriffen, doch weiß er das Geschehen recht zu deuten und hält stand. Dadurch wird ihm selbst der geistige Blick eröffnet. Der Inhalt seiner Geistesschau wird in den folgenden Bildern geschildert. Zum Geleit auf diesem geistigen Weg gibt ihm Benedictus noch folgenden mantrischen Spruch:
Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet
Durch Raumesweiten,
Zu füllen die Welt mit Sein.
Der Liebe Segen, er erwarmet
Die Zeitenfolgen,
Zu rufen aller Welten Offenbarung.
Und Geistesboten, sie vermählen
Des Lichtes webend Wesen
Mit Seelenoffenbarung;
Und wenn vermählen kann mit beiden
Der Mensch sein eigen Selbst,
Ist er in Geisteshöhen lebend.
Die Seelenwelt
Johannes ist wieder tief in Meditation versunken, die Szene zeigt, was er dabei in der Seelenwelt erlebt. Zuerst erscheinen ihm Luzifer und Ahriman, wie Benedictus es angekündigt hat. Der eine lebt im Innern als Versucher, der andere trübt den Blick nach außen. Dann taucht aus den Erdentiefen der Geist der Elemente herauf, begleitet von Capesius und Strader. Der Geist der Elemente, der, wie er sagt, ihnen ihr Selbst gegeben hat, fordert nun seinen Lohn dafür. Doch beide können ihn nicht geben. Was sie bisher aus ihren Erkenntniskräften so stolz und hochmütig schöpfen können, erregt nur Blitz und Donner in der Seelenwelt. So verlässt sie der Geist der Elemente und will seinen Lohn von der Frau fordern, die den beiden Gelehrten ihre seelische Kraft erfrischt - von Felica Balde. Doch bleiben Strader und Capesius nicht lange allein. Als hätte der Fels sie selbst geboren, wird die andere Maria in ihrer Seelenform sichtbar und gibt sich als die niedere Schwester der großen Erdenmutter kund, aus deren Reich Strader und Capesius soeben heraufgestiegen sind. Sie, die hier als die Seelenkraft der Liebe erscheint, will die "stolzen Reden" der beiden Wissenschaftler in sich aufnehmen und so verwandeln, dass sie zu echter Weisheit werden. Ähnlich hatte die Schlange in Goethes Märchen das Gold der Irrlichter in sich aufgenommen und in inneres Licht verwandelt. Dann weist sie den beiden noch zwei Wege, die ins Reich des Geistes führen. Der erste ist der Weg der Kunst, wie ihn auch Johannes Thomasius geht, der zweite ist der Weg der nicht voll bewussten Naturmystik, der im Drama durch Felix Balde repräsentiert wird. Doch beide Wege scheinen Capesius und Strader nicht gangbar und so sind sie letztlich wieder auf sich selbst zurückgewiesen.
Ein unterirdischer Felsentempel
In der verborgenen Mysterienstätte der Hierophanten erscheint Benedictus mit seinen beiden Geistesgefährten Theodosius und Romanus. German fehlt, dafür tritt nun Retardus erstmals auf. Johannes erlebt die ganze Szene tief in Meditation versunken mit. Benedictus hat Johannes zur ersten Geistesschau geführt, doch soll diesem voll bewusst erlebte Wahrheit werden, was er bis jetzt nur als Seelenbild sehen durfte, so muss er Johannes weiter hinauf ins Reich des Geistes leiten. Die Zeit dafür scheint Benedictus reif, doch bedarf er der Hilfe seiner beiden Gefährten, um Johannes weiterzuführen. Theodosius soll Johannes Herz mit der Weltenkraft der Liebe erfüllen und Romanus soll ihn durch die Kraft des Weltenwillens stärken. Doch Retardus macht seinem Namen alle Ehre und widerstrebt dem ganzen Unternehmen; noch scheint ihm die Zeit nicht reif, dass ein Mensch zu neuer, voll bewusster Geistesschau erwachen soll.
Da naht Felix Balde in seiner irdischen Gestalt und die andere Maria in Seelenform. Felix Balde übt scharfe Kritik an der abstrakten naturwissenschaftlichen Weltanschauung. Als Theodosius ihn fragt, warum er nicht seine Art der Naturmystik an die Menschen heranbringe, meint Balde, dass er von den meisten Menschen doch nur als "dumpfer Tropf" angesehen würde. Die andere Maria schlägt vor, dass sie ihre Kräfte, d.h. ihre eigene hingebungsvolle Liebe und Baldes Naturweisheit, mit denen der Tempelbrüder verbinden sollten, denn so vereint könnten sie fruchtbar in Menschenseelen wirken. Dem stimmen die Tempelbrüder zu.
Die Seelenwelt
Der Geist der Elemente fordert nun den Lohn, den ihm Strader und Capesius schulden, von Frau Balde. Frau Balde wehrt zunächst ab, denn die beiden hätten schon die Seele ihres Sohnes mit ihrer abstrakten Wissenschaft vergiftet, sodass sie nun nicht auch noch für deren Schulden einstehen wolle, doch der Geist der Elemente weicht nicht von seiner Forderung ab. Sie müsse sich eines ihrer Märchenbilder entringen, damit es den ihm dienenden Felsengeistern als Seelennahrung dienen könne. Und so beginnt Frau Balde von einem Wesen zu erzählen, das von Ost nach West dem Lauf der Sonne hin über Länder und Meere folgte, wo die Menschen in Liebe und Hass ihre Erdentage verbrachten, bis es endlich an des Haus eines müden, alten Mannes kam, der viel über Menschenliebe und auch Menschenhass nachgesonnen hatte. Hier verweilte das Wesen bis zum nächsten Morgen und setzte erst dann seine Reise fort. Doch als es zum zweiten Mal an die Hütte des alten Mannes kam, da war er tot.
Aus Germans Mund hallt dieses Märchen jedoch ganz anders wider: Es war einmal ein Mann, der zog von Ost nach West und sah, wie die Menschen lieben und hassend sich verfolgen, doch wie Hass und Liebe die Erdenwelt regieren, war in kein Gesetz zu bringen. Da traf der Mann auf seinem Weg ein Lichteswesen, dem folgte eine finstre Schattenform. "Wer seid ihr", frug der Mann. "Ich bin die Liebe", sagte das Lichteswesen. "In mir erblick den Hass", sprach das andere. Doch diese Worte hörte der Mann nicht mehr und zog fortan als tauber Forscher weiter von Ost nach West. Felicia Balde fühlt sich verspottet, doch so verzerrt müssen Felicias Worte erscheinen, wenn sie ins riesenhafte vergrößert aus dem Geist des Erdgehirns widertönen, als dessen Repräsentant sich nun German erweist.
Das Gebiet des Geistes
Maria erscheint im Gebiet des Geistes, also im Devachan, für das ihr Bewusstsein durch die Ereignisse des dritten Bildes geweckt wurde und auch ihr Pflegekind wird auf der Szene sichtbar. Begleitet wird Maria von Philia, Astrid und Luna, die sich nun als die Urbilder ihrer eigenen Seelenkräfte offenbaren. Philia, die sich mit klarstem Lichtessein erfüllt und sich belebenden Klangesstoff eratmen will, erweist sich so als Urbild der Empfindungsseele. Astrid, in der sich die Verstandes- oder Gemütsseele kundgibt, verwebt das Licht mit dämpfender Finsternis und verdichtet das Klangesleben. Luna schließlich, durch die die Bewusstseinsseele spricht, erwärmt den Seelenstoff und erhärtet den Lebensäther und gibt damit erst der geistigen Erkenntnis die tragfähige Sicherheit. Gemeinsam mit Maria bereiten sie damit Johannes den Weg, auf dem auch er bewusst in das Geisterland eintreten kann und so Maria erstmals in ihrem wahren geistigen Wesen erkennen kann.
Johannes, der schon seit Beginn der Szene anwesend ist, sich aber erst allmählich in den Vordergrund bewegt, rekapituliert nun all das, was er zuvor in der Seelenwelt erlebt hat. Die Seherin Theodora, die jetzt erscheint, leitet nun Johannes Geistesblick zu einer früheren weiblichen Inkarnation zurück, in der er Maria schon in anderer Gestalt begegnet war und sein Schicksal eng mit dem ihren verbunden hatte. Maria, damals in einer männlichen Inkarnation, war, wie sie nun selbst sagt, als Christusbote aus den hybernischen Mysterien zu jenem Stamm gekommen, wo Johannes damals lebte und wo noch die Götter Odin und Baldur verehrt wurden. Johannes fühlte sich sofort mächtig von dieser Botschaft angezogen, doch blieb die Kraft, die ihn mit Maria verband, noch beiden unbewusst, woraus manche Schmerzen und Leiden erwuchsen. Und doch lag in diesen Leiden zugleich die Kraft, die beide hierher geführt hatte, wo sie einander nun wahrhaft erkennen können. Dass Johannes nun Maria, mit der er schon im irdischen Dasein verbunden ist, auch in ihrem geistigen Wesen erkennt, gibt ihm zugleich den festen Punkt, durch den er sich in der Geisteswelt orientieren kann. Jetzt erkennt Johannes auch jene Worte, die im dritten Bild nur verzerrt durch die vom Geist verlassene Leibeshülle Marias ertönt waren, in ihrem wahren Gehalt. Maria spricht davon, wie beseligend für sie die Worte des Benedictus gewesen waren, der ihr offenbart hatte, dass ein hohes Geisteswesen sie auserwählt hatte, um durch sie auf Erden zu wirken und wie Benedictus Johannes die Kraft verliehen hatte, ihr bewusst in die Geistersphären zu folgen. So vorbereitet, kann auch Benedictus selbst dem Geistesblick des Johannes erscheinen und Benedictus kann jene Worte der Kraft sprechen, die unmittelbar aus den geistigen Reichen strömen:
Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet
Von Mensch zu Mensch,
Zu füllen alle Welt mit Wahrheit.
Der Liebe Segen, er erwarmet
Die Seele an der Seele,
Zu wirken aller Welten Seligkeit.
Und Geistesboten, sie vermählen
Der Menschen Segenswerke
Mit Weltenzielen;
Und wenn vermählen kann die beiden
Der Mensch, der sich im Menschen findet,
Erstrahlet Geisteslicht durch Seelenwärme.
Ein Zimmer der Sophia
Die Szene des Zwischenspiels geht davon aus, dass die vorangegangenen Bilder den Inhalt des Mysteriendramas bilden, dem Sophia beigewohnt hat. Estella kommt, um von dem naturalistischen Drama zu erzählen, das sie gesehen hat. Es erzählt von einem Maler, der aus unglücklicher Liebe all seine Schaffenskraft verloren hat. Ganz offensichtlich wird in diesem Drama, genau die selbe Geschichte erzählt, wie in dem Mysteriendrama, nur wird sie diesmal ganz von außen und ohne den geistigen Hintergrund betrachtet. Noch einmal stellt also hier Steiner sein künstlerisches Konzept des geistigen Realismus dem bloßen Naturalismus gegenüber und wägt die Argumente für beide Auffassungen gegeneinander ab, um letzlich das Publikum entscheiden zu lassen, welcher Ansicht es sich mehr zuneigen will.
Ein Zimmer in rosenrotem Grundton
Mittlerweile sind drei Jahre vergangen. Johannes hat sich Capesius als Student angeschlossen, um mehr über die Geistesgeschichte der Menschheit zu erfahren. Auch seine künstlerische Schaffenskraft ist wieder voll erwacht und zwar auf völlig neue Weise, indem er nun seine Bilder aus dem unmittelbaren geistigen Erleben schöpft. Soeben hat er ein Porträt von Capesius vollendet, durch das dessen geistige Wesenheit so klar und tief zum Ausdruck kommt, das dieser nur staunen kann. Strader ist von dem Gemälde nicht weniger beeindruckt, doch quält es ihn zugleich, da er sich nicht erklären kann, aus welcher Quelle Johannes seine Kunst schöpft und an die Wirklichkeit der geistigen Welt vermag er nicht zu glauben. Verwirrt und beunruhigt stürzt er davon, und Capesius folgt seinem Freund. Johannes offenbart nun Maria, wie ihm bei der Gestaltung des Bildes gewisse Eindrücke von früheren Erdenleben des Capesius den Pinsel geführt haben.
Gegend im Freien
In diesem Bild wird das Motiv der Selbsterkenntnis aus dem zweiten Bild wieder aufgenommen und zugleich auf eine höhere Ebene gehoben. "O Mensch, erlebe dich!" ertönt es nun aus Felsen und Quellen rings um Johannes. Nun empfindet Johannes sein Selbst nicht mehr so zerstreut in alle Wesen dieser Welt, das er Gefahr läuft sich selbst völlig zu verlieren. Vielmehr fühlt er sein Selbst nun so kraftvoll getragen von allen Weltenwesen, dass er darin eine feste und unverlierbare Stütze seines Eigenwesens erleben kann. Nun fühlt er auch in sich die Kraft und den Willen, die Leiden jener Jugendfreundin zu lindern, die durch seine Schuld gestorben war, indem er ihr Selbst in seinem eigenen Selbst wieder aufleben läßt. Das Bild des eigenen Wesens erscheint ihm nun nicht mehr in der Drachengestalt, zu der sich seine Verfehlungen aus der Vergangenheit verdichtet haben, sondern es tritt ihm als Lichteswesen entgegen, das ihm das Ziel bezeichnet, dem er in Zukunftszeiten gleichen will. So hell erstrahlt nun sein geistiger Stern, dass dadurch auch Maria, der er so eng verbunden ist, herbeigerufen wird und sein Licht in ihrer eigenen Seele erleben kann.
Ein Meditationszimmer
Gehüllt in die Gestalt des Theodosius erscheint Johannes nun die Weltenliebesmacht, also letzlich der Christus selbst. Die Prophezeihung der Theodora aus dem ersten Bild beginnt sich für Johannes zu verwirklichen. Aus der Kraft dieser Liebesquelle will Johannes schöpfen, um so gestärkt auch mutig den Widersachermächten entgegentreten. Schon scheint ein finsteres, bedrohliches Wesen zu nahen - doch es ist Benedictus. Johannes hält ihn zunächst für ein teuflisches Truggebilde, doch erkennt er bald, dass es wirklich Benedictus ist und fühlt die Kraft der Wahrheit, die dieser in ihm entzündet hat. Benedictus gemahnt Johannes:
Doch willst du weiter schreiten,
So musst du jenen Weg betreten,
Der dich zu meinem Tempel führt.
Soll meine Weisheit dir auch ferner leuchten,
Sie muss von jenem Orte fliessen,
Wo ich vereint mit meinen Brüdern wirke.
So als Mitglied des Mysterienbundes zu echter Geistesschülerschaft berufen, vermag Johannes erstmals die Widersachermächte in ihrer wahren Gestalt zu schauen, wodurch sie ihm zu dienenden, hilfreichen Kräften werden. Und so darf die Geisterstimme aus den Höhen am Ende der Szene verkünden:
Es steigen deine Gedanken
In Urweltgründe;
Was in Seelenwahn dich getrieben, (Luzifer)
Was in Irrtum dich erhalten, (Ahriman)
Erscheinet dir im Geisteslicht,
Durch dessen Fülle
Die Menschen schauend
In Wahrheit denken!
Durch dessen Fülle
Die Menschen strebend
In Liebe leben.
Der Sonnentempel
So wie in Goethes Märchen am Ende der unterirdische Tempel an die Erdoberfläche steigt, ist nun der Sonnentempel, die verborgene Mysterienstätte der Hierophanten, oberirdisch zu denken. Hier versammeln sich alle handelnden Personen zum großen Finale. Zuerst tritt Retardus hervor und fordert Capesius und Strader vor den Richterstuhl. Capesius hätte durch seine Geistesart in Johannes und Maria die Neigung für das Geistesschauen verdrängen sollen, doch statt dessen übergab er sich selbst den geisterweckenden Wirkungen, die von den beiden ausgehen. Strader hätte durch sein strenges, nüchternes Denken die Zauberkraft der Geistesschau zerstören sollen, doch er war gescheitert, weil ihm selbst des Fühlens Sicherheit fehlt. Und so muss Retardus die Seelen von Maria und Johannes den Mysterienbrüdern überlassen.
Darauf erscheint Benedictus in Begleitung von Luzifer und Ahriman. Beide Widersachermächte müssen nun bekennen, dass sie ihre Macht über Johannes und Maria verloren haben und fortan als ihnen dienende Kräfte wirken werden. Luzifer spricht:
Und kann ich ihre Seelen nicht versuchen,
Wird meine Kraft im Geiste ihnen erst
Die schönsten Früchte reifen lassen.
Auch Ahriman muss nun auf den Geist der beiden verzichten, doch wird er sie auch weiterhin mit dem Schein beglücken, durch den sich aber nun nicht mehr Irrtum und Lüge, sondern allein die Wahrheit offenbaren soll.
Theodosius, der Geist der Liebe, wendet sich nun an die andere Maria. Er konnte deren höherer Schwester Maria wohl der Liebe Licht, doch nicht der Liebe Wärme geben, solange die andere Maria ihre edlen Kräfte nur aus dem dunklen Fühlen erstehen lassen wollte. Die andere Maria erkennt, dass sie ihre Kräfte hinopfern muss, damit sich in Maria Liebeslicht und Liebeswärme zu ihrer vollbewussten Wirkung verbinden können und sie ist bereit, diese Opfertat zu vollbringen, so wie sich in Goethes Märchen die grüne Schlange hinopfert, damit das neue Zeitalter der bewussten Geistesschau anbrechen kann. Johannes erkennt, dass er dieses Opfer in seiner Seele nachvollziehen muss, auch in ihr soll Liebeswärme sich dem Liebeslichte opfern, damit Geist-Erkenntnis aus dem Seelensein erblüht.
So wie die andere Maria, durch die edlen, aber dumpfen Kräfte ihres Fühlens, das Geisteslicht an seiner vollbewussten Entfaltung gehindert hat, so hat in ähnlicher Weise Felix Balde, indem nur aus dunklen Tiefen schöpfen wollte, die Willenskräfte gebunden, wie ihm nun Romanus zu verstehen gibt. Doch nun hat auch Felix den Weg zum oberirdischen Tempel der bewussten Geistesschau gefunden und auch diesen Weg will Johannes in seiner Seele nachvollziehen. Retardus muss nun einsehen, dass er von Maria und Johannes endgültig ablassen muss. Sie haben ihr neues Licht gefunden. Doch Capesius scheint dem Retardus nun verloren, da er sich seiner Macht entzogen hat, bevor ihm noch das Licht des Tempels leuchten kann. Benedictus aber sieht, dass Capesius bereits den Weg begonnen hat, der auch ihn zum Licht führen wird.
Verloren scheint allein Strader, der die Zweifel seines Herzens nicht bannen kann, die das neue Geisteslicht an seiner Entfaltung hindern. Doch auch ihm wird neue Hoffnung prophezeiht durch Theodora, die am Ende noch erscheint. Auch du, so sagt sie, wirst einst die Worte sprechen:
«Ich habe mir errungen
Die Kraft, zum Licht zu kommen.»
Quelle: anthrowiki.at
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